Als ich mir einen Titel für dieses Post überlegt habe, fiel mir das Lied “Du solltest frei sein in dieser Welt” ein und ich dachte, wie passend. Ich tauschte “frei” mit “Mensch” und es machte es für mich noch bedeutender:
Du solltest Mensch sein in dieser Welt.
Mensch zu sein fällt mir auch nicht immer leicht: Viel zu schnell ärgert man sich über etwas oder über jemanden. Ich bin auch nicht immer vorurteilsfrei, aber ich reflektiere mich selbst, sobald es an mir auffällt. Ich weiss um die Gefahren der Manipulation der Menschen und ich bin nicht perfekt. Es kommt einem etwas zu Ohren und viel zu schnell neigt man dazu, sich unüberlegt aufzuregen, sich mitzuteilen und merkt es erst dann, wenn es schon fast zu spät ist, weil man dann schon Teil dieser Gerüchtestreuung ist. BAM! Und man schämt sich, weil man merkt, das war nicht richtig, oder? Aber wie!
Und nichts anderes passiert gerade mit Bekannten und ganz vielen Menschen in Deutschland. Bloss mit einem feinen Unterschied: der Inhalt ist rassistisch. Bei nationalsozialistischem Gedankengut kriege ich Bauchschmerzen, weil es sich sowas von falsch anfühlt, dass ich mir wünsche, der Staat würde da noch härter durchgreifen. Für mich ist hier die Unantastbarkeit der Menschenwürde in Gefahr.
Die meisten Sätze fangen mit “Ich bin ja kein Nazi,…” an und was meistens folgt, sind rassistische Äußerungen. Warum sich von etwas distanzieren wollen, wenn man doch rassistische Aussagen trifft? Das macht es nicht besser. Gesagtes ist gesagt. Rassismus ist Rassismus. Da kannst du gleich sagen: “Ich bin ja kein Rassist, habe aber trotzdem etwas Rassistisches zu sagen!” Es macht es einfach nicht besser.
Mir sind diese Rechtspopulisten zuwider. Sie sind überhaupt nicht besser als Rechtsradikale. Rechtsradikale stehen wenigstens zu dem, was sie sind und man sieht ihnen das auch äußerlich an. Die Haare sind oft abrasiert oder sie tragen entsprechende Kleidung. Ich möchte sie nicht schön reden, für mich sind es absolute Idioten mit null Verstand und null Herz. Aber Rechtspopulisten leben eine Doppelmoral, die schlichtweg zum Kotzen ist. Denn diese Doppelmoral nehmen viele Wutbürger als Deckmäntelchen um auf diesen Zug aufzuspringen und sich frei bewegen zu können. So sind sie zwar keine “Nazis”, können aber munter rassistische Inhalte streuen. Denn sie sind ja keine “Nazis”. Da beisst sich doch der Hund in den eigenen Schwanz.
In einem Interview mit dem Extremismus-Forscher Andreas Zick ist bei Deutschlandfunk auch von “rechtsterroristischer Mentalität” die Rede, die die Pegida sozusagen erstmal so richtig in Schwung gebracht hat: Rechtsradikale tun sich mit Rechtspopulisten zusammen, geflankt von Wutbürgern und fühlen sich immer freier, mit ihren falschen Parolen die Menschen aufzuhetzen. Der Gerüchteküche zu glauben, ist das bequemste, was man zur Zeit machen kann. Da findet man immer etwas, worüber man sich aufregen kann, klar. Würde ich auch tun. Bloß ist halt vieles frei erfunden um den Menschen Angst zu machen. Dafür sorgen schon die zwielichten Quellen, die man erst einmal überprüfen sollte! Da sind sich viele nicht mehr zu schade, da mit zu machen. Man spürt schon die Abneigungen in den Sätzen wie „Da kommen nun auch Ausländer hin!“ Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um die Islamisierung des deutschen Staates, es geht auch nicht mehr nur gegen Wirtschaftsflüchtlinge, sondern allgemein gegen “Asylanten”. Mit diesem abschätzendem Begriff werden alle Menschen in einem Topf geworfen, die anderer Hautfarbe und Herkunft sind. Und das ist absolut nicht zu dulden!
Ich will auch auf meinem Blog gar nicht politisch werden, ich möchte nur hier appellieren, Mensch zu sein. Gelingt das mir? Ich hoffe es sehr.
Man kann nicht verlieren.
Als ich mal vor 11 Jahren im Ausland gelebt habe, habe ich eine Lektion für’s Leben gelernt: Dass es uns in Deutschland viel zu gut geht. Freunde, die immer noch überall verstreut im Ausland leben, sagen dasselbe. Bloß wissen das die Deutschen nicht zu schätzen, außer die, die über den Tellerrand gucken können. Und diejenigen, die schon immer unzufrieden waren, suchen sich nur einen Sündenbock, den sie nicht kennen. Und auf einmal ist in Deutschland alles schlecht. Ist das wirklich so? Mitnichten.
Ich mache den Mund auf, weil ich Ungerechtigkeiten nicht einmal riechen kann. Es ist sicher nicht der bequemste Weg, aber das ist meine Art und Weise, mich für Dinge einzusetzen, wenn ich das Gefühl habe, hier läuft was schief. So auch bei den ersten Pegida-Befürworter in meinen Bekanntenkreis. Was waren das im letzten Jahr für Diskussionen, die vielleicht umsonst waren. Aber: ich habe zumindest dagegen gehalten, dass es nicht richtig ist, was sie sagen. Auch wenn es oft so aussieht, als wäre ich in der Like-Anzahl unterlegen. Ich beobachte diese Menschen noch eine ganze Weile und irgendwann kicke ich sie aus meiner Kontaktliste, weil sie es mir nicht mehr wert sind. Menschen, die sich zwar großspurig für leidende Tiere einsetzen, aber Flüchtlinge diskriminieren. Diese Doppelmoral hat meine Verachtung.
Eines ist es immer: Egal wie sachlich und gut fundiert du argumentierst, sie verlieren sich auf emotionalster Weise in Verstrickungen und in dummen, schlecht fundierten Argumenten. Wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen, kommt als letztes Mittel die Gutmensch- („Immer diese Gutmenschen!“) und die Nazi-Keule („Ich bin ja kein Nazi,…“). Beides ist dämlich. Der, der Rassistisches sagt, ist ein Rassist. Und derjenige, der dem „Ausländerpack“ hilft, ein Gutmensch. Wenn es so ist, dann bin ich aus vollstem Herzen ein Gutmensch. Ich wünsche den Menschen was Gutes, ja, und deshalb prallt diese Art der Beleidung bei mir einfach ab. Was sie damit bezwecken möchten, ist mir unerklärlich. Wie Marktschreier prangern sie sogar die Meinungsfreiheit in Deutschland an. Ich akzeptiere immer die Meinungen anderer, vor allem, wenn sie sachlich gut fundiert sind. Aber nicht, wenn schlecht recherchiert wurde oder sie rassistischen Inhalt haben. Dann halte ich es für meine Pflicht, an die Menschlichkeit zu appellieren und über Unwahrheiten aufzuklären!
Die Tage hat ein früherer Bekannter einen Hetzartikel auf seiner Pinnwand in Facebook veröffentlicht und ein paar hässliche Worte dazu gepackt. Zunächst dachte ich, das geschah aus Unwissenheit, weil er wie viele Facebook-User grundsätzlich dazu neigt, irgendwelche Inhalte scheinbar gedankenlos weiter zu posten, die schon wahnsinnig veraltet oder unwahr sind, ohne Quellen gecheckt zu haben. Bloß dieses Mal war etwas anders: der Inhalt war sehr stark rechtspopulistisch. Der Artikel stammte sogar von einer ziemlich eindeutig ausgerichteten Website. Also schrieb ich etwas dazu. Und so stiess ich mal wieder mal eine Debatte an, die beinahe nach Schema F verläuft: Erst die gewollte Distanzierung durch “Ich bin ja kein Nazi, aber…” und dann Sätze mit rechtspopulistischen Charakter. Äußerungen mit rassistischen Inhalten. Was der Mensch tatsächlich da betreibt, ist Volkshetze. Und es ist mir egal, ob er darum weiß oder nicht. Es ist ein No Go und ich halte dagegen.
Das eigentlich Schlimme daran ist, du diskutierst tatsächlich mit dummen Menschen. Menschen, die alles generalisieren und wenn ihnen die Argumente ausgehen, mit den Totschlag-Keulen um die Ecke kommen. Du schüttelst eigentlich nur noch verächtlich mit dem Kopf, weil die Argumente so dämlich, so schlecht fundiert sind und alles in einem Topf landet, ABER: es ist mir das wert, mit ihnen zu diskutieren. Der Menschen willen. Und die Hoffnung stirbt zuletzt, dass aus Wutbürger wieder normale Bürger werden. Wie du und ich. Und Flüchtlinge willkommen heißen.
Sie haben Angst, sagen sie.
Warum habt ihr Angst um eure Kinder? Was passiert denn mit denen? Kann mir jemand ein konkretes Beispiel nennen? Nein? Aha. Hier werden nur Ängste gestreut, wo keine sind. Es stimmt einfach nicht, was diese Leute behaupten! Außerdem werden mittlerweile Informationsveranstaltungen angeboten, bei denen besorgte Bürger sich über die Lage und über die Menschen informieren können, die bei uns untergebracht werden. EAT YOUR FEAR und gehe hin! Du hast nichts zu verlieren. Lerne die Menschen kennen, vor denen du Angst hast!
Von der Generalisierung und Halbwissen. Oder Unwissenheit?
Sie wissen meistens leider nicht einmal den Unterschied zwischen politische und wirtschaftliche Flüchtlinge. Für Syrien gilt eine besondere Komplexität und dort herrscht einfach schlichtweg Krieg. Ich lese, dass sogar innerhalb der Familien Sunniten und Schiiten aufeinander los gehen, weil sie Angst haben, verraten zu werden. Dies haben sie der Politik Assad’s und den Rebellen zu verdanken, die Syrien politisch gespalten haben. Und dann kommt der IS und bombt beiden die Ärsche weg. Ich durchblicke diese Komplexität nicht besonders gut, aber es reicht, um zu wissen, dass die geflohenen Menschen unsere Unterstützung brauchen. Ich glaube nicht, dass wir uns anmaßen können, wie qualvoll ihre Fluchtwege bis hier her sind. Ich habe ein paar Berichte gelesen und mir hat jedes Mal das Herz geblutet. Und keiner der Wutbürger begreift, was für ein gutbürgerliches Leben diese Menschen in Syrien mal hatten. Vielleicht sogar ein besseres als die Wutbürger selbst.
Und dass es in einer Notunterkunft, zusammengepfercht mit hundert anderen Menschen und Kulturen, mal zu Streit kommen kann, ist mehr als menschlich! Wer würde da nicht einen Lagerkoller bekommen? Diese Menschen sind fertig mit ihren Nerven und müssen erst einmal lernen, zu vertrauen.
Vorurteile mit Wirtschaftsflüchtlinge.
Habt ihr euch sie mal angeguckt? Verzweifelte Familien, z.B. aus dem Kosovo. Kein Kriegsgebiet mehr, aber total kaputt. Die Menschen sind auf sich gestellt, haben keine Arbeit, keine staatliche Unterstützung und wissen nicht, wie sie ihre Kinder satt kriegen sollen. Sie sind unterernährt, leben in einfachen Hütten und erhoffen sich hier in Deutschland eine bessere Zukunft. Vor allem für ihre Kinder! Was ist daran so schlimm? Würdest du das nicht auch versuchen? Leider fallen sie durch das Raster der Asylbehörde. Sobald die Prüfung durch ist, werden sie abgeschoben und kehren mit weniger zurück, als sie vorher hatten: mit nichts. Wie verzweifelt muss eine Familie dann erstmal sein? Ich finde es echt arrogant, dann noch mit den Fingern auf diese Menschen zu zeigen und sie zu beschimpfen. Wer maßt sich so etwas an? Pfui, wirklich!
Haltung zeigen. Jeder einzelne von euch.
Manchmal fallen beim Ausgehen der Argumente auch hässliche Sätze wie z.B. „Dann nehmt doch welche zu Hause auf!“ Aber es geht hier gar nicht darum, Flüchtlinge bei sich zu Hause auf zu nehmen, sondern sie einfach nur willkommen zu heißen und darauf vertrauen, dass alles gut wird.
Es geht darum, ihnen einen menschenwürdige Unterkunft zu gewähren, was im Moment extrem schwierig ist, weil man nicht mit einem solchen Ansturm gerechnet hat.
Es geht darum, ihnen hier eine sichere Anlaufstelle zu gewähren und dann entscheiden die Ämter, wie es bei jedem einzelnen weiter geht, nicht wir. Das ist nicht unsere Aufgabe. Deutschland ist übrigens nur auf Platz 7 mit der Aufnahme von Flüchtlingen pro 1000 Einwohner in der EU. Die Behörden sind überlastet, die Notunterkünfte platzen aus allen Nähten und es ist alles schwieriger als gedacht. Aber: da sind Menschen da draußen, die es trotzdem mit allen Mitteln versuchen! In Berlin nehmen sogar Privatleute Flüchtlinge zu Hause auf, weil die Notunterkünfte nicht ausreichen. Mit großem Herz. Vorbild. Meinen vollen Respekt habt ihr!
Es geht darum, sie wie Menschen zu behandeln. Menschlichkeit zeigen. Vor den Idioten Haltung zeigen. Stopp sagen, wenn andere dumm grölen. Einhalt gebieten, wenn etwas falsch läuft.
Auch habe ich auf diese Debatte mit dem Hetzartikel einige E-Mails bekommen mit Zuspruch von Menschen, die genau so denken wie ich, aber nicht den Mut haben, öffentlich Haltung zu zeigen. Ich kann verstehen, dass sich viele nicht trauen, weil man sich oft auf hässliche Diskussionen einlassen muss, in denen man gegenhalten muss. Ich kann verstehen, dass sie nur Beiträge liken und dir heimlich E-Mails schicken und dir dafür danken, dass du die Rolle übernommen hast. Ich bin auch dafür sehr dankbar, zu wissen, dass die Mehrheit von uns auf der richtigen Seite ist. Deutschland teilt sich immer mehr…
Trotzdem: Spätestens nach der mutigen Ansage der ARD-Moderatorin Anja Reschke sollten wir mehr denn je den Mund aufmachen gegen rechts und damit klar Stellung beziehen. Es reicht leider nicht mehr, still mit zu lesen. Die Menschen da draußen brauchen unseren Zuspruch. Dabei reicht es völlig aus, sich klar zu positionieren. Um ein Zeichen zu setzen für mehr Menschlichkeit.
Barbara Imgrund wählt auf ihrer Website wichtige Worte dafür:
„Haltung zu zeigen ist manchmal ein steiniger Weg. Aber wenn viele ihn gehen, wird irgendwann eine breite Straße daraus, auf der man sich trifft und nicht mehr allein gehen muss.“
Richtig und schön, was du hier äußerst. Auf die Nächstenliebe!✨